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Ein Vergleich nubischer Sandsteine aus einem Tempel des ägyptisches Neuen Reiches mit antiken Steinbrüchen auf der Insel Sai (Nord Sudan)
Dr. Fabian Dellefant
Die Erforschung der Herkunft von Sandsteinen, die beim Bau antiker Monumente verwendet wurden, bieten einen einzigartigen Einblick in das Zusammenspiel von natürlichen Ressourcen, menschlichem Handwerk und sozialer Interaktion. Auf der Insel Sai, die im Nil zwischen dem 2. und 3. Katarakt im Norden des Sudans liegt, befindet sich Tempel A, ein ägyptisches Bauwerk der 18. Dynastie. Der Sandstein, der für seinen Bau verwendet wurde und aus den reichhaltigen Lagerstätten der Insel stammt, hat seit Langem das Interesse von Archäologen und Geologen geweckt. Eine aktuelle Studie untersucht die mineralogischen und geologischen Eigenschaften dieses Sandsteins, um seine genaue Herkunft und die Entscheidungen der antiken Baumeister zu entschlüsseln.
Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Sandsteinproben aus Tempel A sowie aus drei nahegelegenen Steinbrüchen. Mithilfe moderner Analyseinstrumente wie Polarisationsmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie und Mikro-Raman-Spektroskopie wurden die Steine im Detail untersucht. Es zeigte sich, dass die Sandsteinklasten hauptsächlich aus Quarz bestehen, der 90–95 % ausmacht, mit geringfügigen Anteilen von Feldspat und Lithoklasten. Tonminerale wie Kaolinit und Illit sind in unterschiedlichen Mengen vorhanden und bilden den Hauptteil der Matrix des Sandsteins. Außerdem fanden sich Spuren von Eisen-Titan-Oxiden, die durch natürliche chemische Prozesse im Laufe der Zeit Veränderungen erfahren hatten.
Die Studie zeigte, dass der Sandstein von Tempel A feiner sortiert war und kleinere Korngrößen aufwies als die Durchschnittsproben aus den Steinbrüchen. Dies deutet darauf hin, dass die Baumeister:innen bewusst Steine mit einheitlichen Eigenschaften auswählten, um eine gleichmäßige Erscheinung des Tempels zu gewährleisten. Die hellere Farbe und moderate Sortierung des Tempelsandsteins stehen im Kontrast zu den dunkleren, schlechter sortierten Steinen aus den Steinbrüchen und Aufschlüssen. Diese selektive Gewinnung weist auf ein ausgeprägtes Verständnis der Eigenschaften von Baumaterialien und einen sorgfältigen Ansatz beim Bauen hin.
Dennoch erwies es sich als schwierig, die genaue Herkunft des für Tempel A verwendeten Sandsteins zu bestimmen. Trotz der Ähnlichkeiten in der Zusammensetzung zwischen den Tempelsteinen und den natürlichen Vorkommen konnte die Analyse die Baumaterialien nicht eindeutig einem bestimmten Steinbruch zuordnen. Es wird vermutet, dass die Steine wahrscheinlich aus derselben geologischen Formation stammen, jedoch kann die Möglichkeit mehrerer Abbaustellen auf der Insel nicht ausgeschlossen werden.
Das Vorkommen von Mineralen wie Kaolinit und Illit in der Sandsteinmatrix lieferte weitere Einblicke in die geologische Geschichte dieser Gesteine. Diese Minerale entstehen unter bestimmten Bedingungen und deuten darauf hin, dass der Sandstein im Laufe der geologischen Zeit Verwitterungs- und Ablagerungsphasen durchlief. Eisen-Titan-Oxide wie Ilmenit und seine Verwitterungsprodukte wiesen auf chemische Umwandlungsprozesse hin, die durch den Kontakt der Steine mit Wasser ausgelöst wurden. Diese Transformationen spiegeln die dynamische geologische Geschichte der Insel Sai wider, wo tektonische Kräfte und sedimentäre Prozesse die Materialien formten, lange bevor sie für den antiken Bau abgebaut wurden.
Auch wenn die genauen Abbaupraktiken unklar bleiben, unterstreichen die Ergebnisse die Sorgfalt und Zielgerichtetheit, mit der die Baumaterialien ausgewählt wurden. Die Erbauer:innen von Tempel A legten offenbar Wert nicht nur auf die strukturelle Integrität, sondern auch auf die ästhetischen Qualitäten des Steins.
Die Untersuchung des Sandsteins von der Insel Sai bietet einen Einblick in die Entscheidungen und Praktiken des kolonialen Ägyptens in Nubien während des Neuen Reiches. Durch das Verständnis der Materialauswahl der Vergangenheit gewinnen wir eine größere Wertschätzung für die tiefe Beziehung zwischen Mensch und Natur. Weitere Untersuchungen, darunter detaillierte geologische Kartierungen und isotopische Analysen, könnten noch mehr über die Herkunft dieser Steine und die Geschichte, die sie tragen, enthüllen.
Der Sandstein der Insel Sai ist mehr als nur ein Baumaterial – er ist ein Zeugnis der Einfallsreichtums und Kunstfertigkeit seiner antiken Bewohner. Jedes Sandkorn erzählt eine Geschichte, geprägt von Jahrmillionen natürlicher Kräfte und schließlich von menschlicher Hand. Durch die Entschlüsselung dieser Geschichten verbinden wir uns nicht nur mit der Vergangenheit, sondern vertiefen auch unser Verständnis für die komplexen Verbindungen zwischen Geologie, Kultur und Zeit.